Die Authentizitätsfalle oder: catch the other me, if you can…

Der heilige Gral der Kommunikation

Eine der großen Lügen im beruflichen Kontext ist die Prämisse, dass es super ist, wenn wir alle möglichst „authentisch“ sind. Insbesondere Frauen wird gerne verklickert, dass Authentizität der heilige Gral für das Erklimmen der Karriereleiter ist, da nur authentische Menschen selbstbewusst, reflektiert und damit erfolgreich sind.

Authentisch = ehrlich? Ehrliche Antwort???

Im Subtext wird transportiert, dass nur, wer authentisch ist, auch ehrlich ist – zu sich, aber vor allem zu den anderen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer nicht authentisch ist, ist unehrlich. Und bitte, wer will schon eine unehrliche Mitarbeiterin! Interessanterweise zieht der Spin vor allem bei (weiblichen) Untergebenen – die Sprache der Führungsetagen färbt das Unauthentische dann schon gerne mal positiv um: Quod licet Iovi, non licet bovi…

Googelt man das Wort „Authentizität“, poppen tausende gutgemeinte Ratgeber auf, wie und warum wir Frauen dieses angeblich ersehnte Endziel erreichen sollten. Wir werden subtil damit unter Druck gesetzt, dass wir uns ja selbst schaden würden, wenn wir unauthentisch sind, denn dann seien wir weniger glücklich, in uns ruhend und zufrieden.

Seelen-Strip als Mehrwert für die Personalabteilung und den Chef

Der Trick ist einfach: Wer im beruflichen Umfeld einen kompletten Seelen-Strip hinlegt, mag zwar vermeintlich „authentisch“ rüberkommen, aber ob der Mehrwert, sich als überforderte Mutter oder angstgetriebene Abteilungsleiterin zu outen, eine wohl dosierte Unnahbarkeit überwiegt und auch die Vorgesetzten überzeugt, sei dahingestellt. Im schlimmsten Fall wirkt frau unprofessionell emotional und wundert sich, warum sie bei der nächsten Projektleitungs-Vergabe wieder nur auf der Ersatzbank mitspielt…

Außerdem: Wäre ich immer so selbst- und machtbewusst aufgetreten, wie ich in meiner Grundstruktur veranlagt bin (typisch Löwe, sagt die beste aller Mütter zu diesem töchterlichen Aspekt dann gerne…), hätte ich  viele Karrierechancen gar nicht bekommen. Denn bitte schön, wer setzt sich sehenden Auges den Rivalen ins Nest, der gerne mal – natürlich nur wenn sich´s ergibt – am Chef-Sesserl sägt…?

Wer will ich sein?

Meiner Beobachtung nach sind Männer in ihrer Kommunikation viel strategischer, sie fallen nicht so oft auf die Authentizitätsfalle herein, sondern steuern ihre berufliche Außenkommunikation viel geschickter und zielorientierter – Stichwort Impression Management.

In Zeiten, in denen aufgrund der sozialen Medien nichts mehr privat bleibt, ist es umso wichtiger, sich für sich zu überlegen, welches Mittel der Wahl eher der Weg hinauf auf die Karriereleiter ist. Unbedingt authentisch zu sein, kann dabei durchaus ein Weg zum Erfolg sein, aber nur dann, wenn sich zwischen dem privaten Tun, Umfeld und Kommunikation keine nachhaltige Differenz auftut zu dem beruflichen Ich, das im Job gefragt ist. Die meisten, vor allem junge Frauen werden jetzt vielleicht sagen – ja, das ist doch kein Problem für mich, ich bin wie ich bin und ich hab´ ja auch nichts zu verbergen! Tja, da kann ich nur sagen: Die Zeit ist ein Luder. Job und damit Ansichten, Umfeld und Anforderungen ändern sich, weswegen man sich sehr gut überlegen sollte, wie sehr man sich in die Karten des eigenen Ich schauen lässt. Karteikarten der Personalisten sind da nämlich im Gegensatz zum Instagram-Profil in Stein gemeiselt…

Öffentliche versus private Person – kein Widerspruch!

Es empfiehlt sich daher, die sozialen Medien als das zu nutzen, wofür sie von findigen Kommunikations-Profis erfunden wurden: Als reines Marketing-Tool, das vorrangig dazu dient, ein bestimmtes Bild von mir, meinem Produkt und meiner Dienstleistung nach außen zu tragen. Wenn man das verinnerlicht hat, sollte man sich einfach überlegen, wie die öffentliche Person meiner selbst „rüberkommen“ soll. Welche Anteile meiner Persönlichkeit dürfen ungehindert nach außen auftreten, aber welche behalte ich lieber für mich? Machen wir´s doch wie die Männer: Verschweigen ist im Zweifel keine Lüge!!!!

Public Relations studiert man am besten im Museum

Wer jetzt aufschreit, das sei unauthentisch, dem kann ich nur knallhart antworten: Ja. Medien aller Art sind nun einmal – brutal gesagt – „verlogen“. Sie transportieren vom Medieninhaber geschaffene Bilder. Das war im übrigen schon vor Facebook und Instagram so: Wer Lust hat, kann die diesbezüglichen Monumental-Ölschinken alter Meister im Museum begutachten – ein Großteil davon ist von Kaisern, Königen und Fürsten bestellte Medienarbeit der Renaissance und des Barock. Tizian war sozusagen der PR-Berater Karls des V. Eine zaudernde, eher verbissene und den Wirren der Zeit unflexibel entgegenstehende Persönlichkeit wurde da zu einem strahlenden Sieger und frühen Kosmopoliten stilisiert, „in dessen Reich die Sonne nie unterging“. Dass der Kaiser die Kirchenspaltung unter Luther nicht verhindern konnte, den Reichstag genau so wenig im Griff hatte wie heutige Regierende das Ungetüm des Föderalismus und er damit den Weg zum Supergau des 30ig-jährigen Krieges ebnete, kann man über so viel perfekte Public Relation und irrlichterndes Tizian-Rot schon mal vergessen.